Martin Weimar Kunstgärtner. Neues in der Orangerie. Pflanzeninstallationen, Fotografie und Spurensuche

14. Juni bis 22. September 2013
Eröffnung: Freitag, 21. Juni 2013, 19 Uhr

Orangerie, Palmenhaus oder Warmhaus? Wer im Barock etwas auf sich hält, sammelt Südfrüchte, exotische Pflanzen, später auch Palmen – und errichtet dafür eigene Gebäude, die bald nicht mehr nur Nutzbauten sind, sondern als Prestigeobjekte der Repräsentation sowie dem gesellschaftlichen Leben dienten. Auch in Ismaning gab es im Schlosspark eine Orangerie, in deren Nachbau heute das Kallmann-Museum untergebracht ist. Dort zeigt Martin Weimar, Grenzgänger zwischen freier Kunst und Gärtnerei, Installationen mit lebenden Pflanzen, Fotografien, Videos sowie Arbeiten mit historischen Texten, Abbildungen und Materialien. Die multimediale Ausstellung bringt Kunst und Natur eindrucksvoll zusammen und bietet überraschende, humorvolle Blicke auf die Bau- und Kulturgeschichte historischer Gewächshäuser, auf die Verwendung von Zierpflanzen sowie auf die Disziplinierung der Natur durch den Gartenbau.

Der ausgebildete Gärtner und Florist Martin Weimar studierte an der Münchner Kunstakademie bei Prof. Daniel Spoerri. Mit Spoerri baute er 1985 das erste „Grassofa“, das in abgewandelter Form im Skulpturenpark Ismaning 2000 gezeigt wurde. 1988 gründete Weimar gemeinsam mit Claudia Wörner die idyllische Kunst- und Lustgärtnerei am Rande des Schlossparks von Oberschleißheim. Seine Werke waren in den vergangenen Jahren deutschlandweit in Ausstellungen zu sehen, u.a. in Neu-Ulm und Berlin. Als Künstler verbindet Martin Weimar sein praktisches Wissen und seine Liebe zu Pflanzen mit einer künstlerischen „Spurensuche“, die der Geschichte seiner Ausstellungsorte und deren Besonderheiten auf den Grund geht. Für Ismaning hat Weimar ein Ausstellungskonzept entwickelt, das die Orangerie im Schlosspark zum Ausgangspunkt nimmt. Der Park wurde ab 1807 von Friedrich Ludwig von Sckell, dem Architekten des Englischen Gartens in München, gestaltet. 1837 errichtete der Architekt und königliche Hofdekorateur Jean Baptiste Métivier, ein Mitarbeiter im Stab Leo von Klenzes, dort die Orangerie im klassizistischen Stil.

Martin Weimar geht dieser Geschichte Ismanings sowie anderer historischer Orangerien mit Pflanzeninstallationen, großformatigen Fotografien sowie mit Videoarbeiten und Texten nach. Er verbindet Skurriles, Ästhetisches, Fundstücke und Gewachsenes zu spannungsreichen Kontrasten und reizvollen Bildern. So lässt er tropische Flamingoblumen mit Sortennamen „Jungle King“ aus plüschigen Lehnsesseln wachsen und weist der Zimmerpflanze sowie der damit verbundenen Tropensehnsucht der Mittel- und Nordeuropäer auf irritierende Art einen neuen Platz zu. Humorvoll zusammengestellt sind auch die Nelkenkoffer, die, gleichsam als Musterkoffer der Gefühle, auf den Nelkenwahn des 18. Jahrhunderts anspielen, als Nelken der letzte Schrei waren und mit großer Leidenschaft gezüchtet wurden. In repräsentativ-schmückendem Zusammenhang wiederum zeigen sich pflanzliche Motive auf den originalen Möbelpolstern, die Métivier für das Ismaninger Schloss entworfen hatte und die Weimar einem Unkraut gegenüberstellt, das „Franzosenkraut“ genannt wird.

Auf originelle Weise werden historische Orangerien in den großformatigen Fotografien einzelner Blätter des Losbaums präsentiert – einer wunderbar duftenden, heute jedoch völlig vergessenen Kübelpflanze. Klassische Portale und Schmuckformen wurden mit Nadeln in die Blätter gestochen, eine Form der Zeichnung, die eine ganz eigene, filigrane Schönheit besitzt. Lebendig geht es im Innenhof des Museums zu, wo in farbigen Mülltonnen blühende Sträucher stehen, die mit ihrem besonderen Duft Schmetterlinge anlocken. Martin Weimars Arbeiten im Kallmann-Museum verbinden Kunst, Natur und Geschichte auf einzigartige Weise. Sie bereiten ein besonderes sinnliches Vergnügen, das durch die lebenden Pflanzen im Museum, durch den Witz der Arbeiten sowie durch die irritierenden Zusammenstellungen von Gegensätzlichem erzeugt wird.