Helene B. Grossmann – Visuelle Dringlichkeit

11. November 2023 bis 7. Januar 2024
Eröffnung: Freitag, 10. November, 19 Uhr

Helene B. Grossmann: A Story of Light I, 2023, Acryl auf Leinwand, 58 × 47cm

Helene B. Grossmanns (geb. 1943 in Dresden) Gemälde stellen eine faszinierende malerische Auseinandersetzung mit der reinen Farbe und dem Licht dar, lassen dabei aber immer auch an Natur und stimmungsvolle Landschaften denken. In der Galerie im Schlosspavillon ist nun eine Auswahl ihrer Arbeiten aus verschiedenen Werkzyklen der letzten fünfzehn Jahre zu sehen, neben den Gemälden auch eine Skulptur in Bronze, die einen aufs Äußerste reduzierten Frauenkörper zeigt.

Ausgebildet wurde Grossmann Anfang der 1980er Jahre an der Kunstakademie in Dresden. Nachdem sie in der DDR 1986 Ausstellungsverbot erhielt, ging sie 1988 nach Westdeutschland, wo sie ihre erste Ausstellung 1990 in München zeigte. Während sie anfänglich noch Akte malte, widmet sie sich seit rund drei Jahrzehnten in verschiedenen Zyklen der malerischen Erkundung des Lichts.

Grossmanns Gemälde sind Farbkompositionen, die aus sich heraus zu leuchten scheinen. Immer herrscht eine bestimmte Farbigkeit vor, etwa blau, rot, grün oder weiß. Dabei verändern sich die Farben und die Erscheinung des Lichts in den Bildern in Abhängigkeit von den äußeren Lichtverhältnissen, der Tageszeit oder auch vom Standpunkt der Betrachter:innen, so dass die Gemälde zu einem gewissen Grad bewegt erscheinen. Manche Bilder wirken dabei zunächst eher auf die reine Farbe konzentriert, flächiger, während andere schon dem ersten Blick eine tiefere Räumlichkeit öffnen. Betrachtet man die Bilder länger und taucht tiefer in die Malerei ein, offenbaren sie sich in ihrer ganzen Vielschichtigkeit. Farbwolken schieben sich ineinander, zarte und dichte Farbschichten durchdringen und überlagern sich, kraftvolle Kontraste stehen neben feinsten malerischen Nuancen und farblichen Übergängen, die bisweilen eher zu erahnen als sichtbar sind.

Dabei lassen die Bilder Landschaften und natürliche Phänomene aufscheinen, die sich aber kaum fassen lassen, sondern sich immer wieder unserer Wahrnehmung entziehen, so dass der Blick ständig zwischen dem Sehen von Malerei und gegenständlichen Assoziationen schwankt. Ein weißes Leuchten vor rotem Hintergrund erscheint womöglich als Sonne, eine kühle bläuliche Komposition lässt ein Gefühl von Schnee aufkommen, auf anderen Werken lassen sich Gletscherlandschaften erahnen oder eine große Welle, die direkt auf uns zuzurollen scheint. Manche Bilder erinnern in ihrer stimmungsvollen, leuchtenden Atmosphäre aber auch an Landschaften von Caspar David Friedrich oder William Turner, Maler, mit deren Darstellung von Licht und Farbe Grossmann sich intensiv auseinandersetzte. Dabei beschäftigte Grossmann sich auch ausführlich mit dem Material ihrer Malerei, also den physikalischen Eigenschaften verschiedener Pigmente und deren Qualitäten bei der Wiedergabe von Farbe.

Grossmanns Landschaften sind nicht aus der unmittelbaren Anschauung heraus entstanden, sondern eher aus der Einfühlung in eine Atmosphäre, die man beim Betrachten der Bilder nachempfinden kann. Wir scheinen also die Gletscher, Meere oder kühlen Schneelandschaften weniger zu sehen als vielmehr zu spüren. Das Materielle der Malerei von Helene B. Grossmann berührt damit in besonderer Weise die immaterielle Ebene unserer Empfindungen. Die Erfahrung ihrer Bilder bedeutet damit immer auch eine bewusste Erfahrung der eigenen sinnlichen Wahrnehmung und deren Wechselwirkung mit persönlichen Stimmungen und Assoziationen. Sinnlich zu erfahren sind dabei insbesondere auch Landschaften, in denen die Folgen der Klimakrise besonders offenkundig sind wie Berge und Küstenlandschaften, und damit auch die Dringlichkeit, unser Handeln zu verändern.